Sissy Boyz
SV Damenkraft Orlanding the dominant

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***ORLANDING THE DOMINANT***
eine queere Burlesque

von und mit Gustav, einem der Sissy Boyz und SV DAMENKRAFT
Aufführungstermine: 8. - 12. Januar und 15. - 19. Januar 2008, Wien

Wir haben eine transgender, ass-kick, burlesque Revue für Euch geschrieben. Grundlage ist „Orlando“ von Virginia Woolf und geworden ist es ein Musiktraum, von Chornummern bis Smashhits, Tanzchoreographien und Allem was auf die schummerigen Bühnen der Welt gehört: Orlandos Herzblut der großen, heißen (im Verlauf schrecklich enttäuschten) Liebe, Orlando wie er die Begründerin des Queer Theaters in New York wird oder an den Schiffsbug der Piratinnen gefesselt, England I`m coming ... vierhundert Jahre an einem Abend... get lost and found in time and gender!
Spielen werden wir im „Brut“, einem kleinen Etablissement mit rotem Licht und runden Tischchen von denen aus Ihr nicht weit greifen müsst um uns die Geldscheine in die königlichen Strumpfhosen zu stecken. Hold your breath and wet your pants
we want you ..for a night ..or two
C U there! Kisses! Orlando

PS: Die Revue kommt gern auch deine Stadt!

.:links

Kurzes Video der Burlesque
www.youtube.com/watch?v=iCzbjr0vfNo

SV DAMENKRAFT
www.myspace.com/svdamenkraft

Gustav
www.myspace.com/rettetdiewale
gustav.cuntstunt.net/

Tomka Weiß
www.sissyboyz.de/sites/tomkaweiss

Brut
www.brut-wien.at

Radiosendung zur Show mit einigen Songs gibts online bei ORANGE 94.0
radio.sztaki.hu/node/get.php/094pr2030

Fotos der Revue online
www.flickr.com/photos/lili_waits/sets/72157603804775400/

.:cd der revue
Es ist eine CD mit allen Songs der Revue erschienen. Mehr infos hat Steve: steve [at] sissyboyz.de

.:rezensionen

Pomp, Fuck & Circumstance

In Wien fand vorige Woche die Premiere der queeren Burlesque »Orlanding The Dominant« statt. Über die Renaissance eines Show-Genres. Von Sonja Eismann

Mit Moulin-Rouge-Phantasien von Legionen halbnackter, gleichförmig perfekter Frauenkörper hat dieser burleske Abend im Wiener Brut-Theater nichts zu tun – trotz der runden Tische mit roten Lämpchen im Publikumsraum, die verstaubte Bilder von Variété-Theatern evozieren: Sechs Frauen in bizarr-trendigen Kostümen zwischen Androgynität und übertriebener Weiblichkeit stürmen und tanzen über die Bühne, simulieren mit ihren nicht-normierten Körpern lesbischen Sex, bewundern, als tussige Schwestern in weiblichem Drag, eine »pompöse Möse«, die sich als »Cameltoe« manifestiert, und singen pathetisch bis aggressiv über die Lust am »Genderfuck«.

Genau um diesen geht es in der Produktion »Orlanding the Dominant«, die im neuen Wiener Kooperationshaus »Brut« am 8. Januar das Themenwochenende »Lust am Verrat. Stellungswechsel in Feminismus, Performance und Film« einläutete. Die Musikerin Gustav, die Performanceband SV Damenkraft sowie ein aus Bremen dazugerufenes Mitglied der Drag-Gruppe Sissy Boyz haben dabei mit Virginia Woolfs »Orlando« einen für queere Belange mehr als geeigneten, ja offensichtlichen Text für ihre Zwecke adaptiert und mit zitatreicher Musik zwischen Elektronik, Oper, HipHop und Ballade unterlegt. Orlando, den jede der sechs Frauen abwechselnd darstellt, ist in seinem jahrhundertelangen Leben wie bei Woolf mal Mann am Hofe, mal Dame der feinen Gesellschaft, die sich als Mann verkleidet. Er/sie endet hier als Showmaster einer feministisch-queeren Kuriositätenshow im New York der siebziger Jahre, in der, Höhepunkt der Inszenierung, in einem halsbrecherischen Tempo eine provozierend ironische Nummernrevue feministischer Ikonen durchgepeitscht wird: Laurie Anderson spielt avantgardistisch keinen Ton, Elke Krystufek kotzt auf die Bühne, Carolee Schneemann zieht sich ein Endlosband aus ihrer Vagina, und Valerie Solanas erschießt zuerst Andy Warhol und dann alle anderen, die hernach wieder auferstehen dürfen.

Die Durchbrechung und Verwischung binärer Geschlechtergrenzen, die ironische Performanz von Gender sowie die Anrufung feministischer Vorgängerinnen werden in einem akademisch unterfütterten Milieu, schön pointiert aufgeführt, erwartbar. Was stutzen lässt, ist die Verpackung. Eine Burlesque? Ist das nicht ein dem Striptease nahestehendes, auf die Zurschaustellung von Frauenkörpern spezialisiertes Unterhaltungsformat, das schon lange ausgestorben ist? Wie kann diese Form auf einmal »queer« werden? Die Burlesque, nun gerne auch als Neo-Burlesque tituliert, war eine der unerwartetsten Wiedergängerinnen des – an Überraschungen nicht gerade armen – neuen Feminismus. Der bescherte uns ja schließlich schon, zumindest in den USA, die neue Lust an der neuen Häuslichkeit und Handarbeit, eine Vorliebe für Bettie Pages Pin-Up-Style, das »Homeschooling« durch feministische Hausfrauen-Mütter – und nun also auch die Entblätterung des weiblichen Körpers auf der Bühne. In Nordamerika scheint an jeder Straßenecke eine Burlesque-Truppe aus dem Boden zu schießen – die Vorläufer des neuen Trends waren ab Mitte der neunziger Jahre die Dutch Weismanns, die Follies in New York und The Velvet Hammer Burlesque in L.A. –, und sogar die Queer-Theoretikerin Judith Halberstam schwärmte in einer Ausgabe des niederländischen Lesbenmagazins Girls Like Us für eine Gruppe namens Miracle Whips: Diese bestehe aus Studentinnen und Professorinnen, die eine Mischung aus Theorie und Strip darböten – zunächst ein wenig Foucault, dann eine Wet-T-Shirt-Einlage.

Doch auch wenn viele der Burlesquen tatsächlich nichts anderes sind als Stripshows mit hipperem Anstrich, die zudem ihre Darstellerinnen, auf Englisch ja auch »exotic dancers« genannt, auf schwülstige Weise exotisieren (»Legs Cadillac, the only daughter of the last Maharaja of Bombay«), finden sich durchaus widerständige Ansätze. So eigneten sich ab Mitte des 19. Jahrhunderts in den USA und Großbritannien die Burlesque-Tänzerinnen auf karnevalistische Weise die Vorlieben der Upper Classes an, um diese in vulgärer Form zu verspotten. Um 1860 zeigte die Truppe British Blondes rund um Lydia Thompson, die mit ihrem Erfolgsstück »Ixion« den New Yorker Theatermarkt aufrollte, Frauen in – für damalige Verhältnisse – spärlicher Männerbekleidung, die Rip-Offs bekannter Opernarien schmetterten. Während das Zeigen halbnackter Frauen zu diesem Zeitpunkt nur ein Element von vielen war, das zudem die prüde viktorianische Ordnung erschütterte, degenerierte die Form in den dreißiger Jahren zur Auszieh-Revue.

Die aktuelle Version des Glitzerspektakels, die mit einer Vorliebe für bombastischen Retro-Kitsch einhergeht, versucht, den humoristischen Aspekt zu betonen. Dabei geht es auch um das selbstbewusste Zeigen nicht-perfekter Körper, das sich Gruppierungen wie Big Burlesque – The Original Fat Bottom Revue auf die Fahnen geschrieben haben. Auch der erfolgreichen Berliner Gruppe The Teaserettes geht es laut Eigendefinition »nicht um die Darstellung von perfekten Körpern und plumpen Sex, sondern um das Karikieren gängiger Klischees (Männer und Frauen) und um das Zeigen selbstbewusster humorvoller Erotik ohne erhobenen Zeigefinger«.

Im Fall von »Orlanding the Dominant« ist die Queerung des Genres auf erstaunliche Weise gelungen. Wenn da der Sissy Boy mit nacktem Oberkörper als »Mann mit Brüsten« über die Bühne gejagt wird und eine androgyne Butch ihre schlanken Brüste ganz nüchtern in einen Pappkarton klemmt, um an Valie Exports Tapp- und Tastkino zu erinnern, wird nicht voyeuristische Geilheit bedient, sondern die Freakiness binärer Zuschreibungen vorgeführt. Allein eine Frage bleibt doch noch offen: Warum ist es wieder an den Frauen, diese einengenden Codes zu dekonstruieren und dafür ihre (nackten) Körper sprechen zu lassen? Männer sind in der Burlesque-Bewegung mit der Lupe zu suchen, und meistens sind sie dann auch noch bekleidet. Entweder sie interessieren sich immer noch nicht für ihre sexuelle Emanzipation – oder sie lassen doch lieber wieder die Frauen machen. Und sich ausziehen.

Jungle World 03 :: 17. Januar 2008

URL: www.jungle-world.com/seiten/2008/03/11295.php

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Hose oder Rock? Orlandos Reisen
Von Alexa Jirez

Virginia Woolfs "Orlando" beschließt, nicht alt zu werden – er reist 400 Jahre durch die Zeit und durchlebt eine Metamorphose zur Frau.
Das Werk gilt als feministische Pflichtlektüre – besonders in Hinblick auf die Subversion von Geschlechteridentität. Das Koproduktionshaus brut zeigt im Konzerthauskeller die queere Burlesque "Orlanding the dominant". Die Performanceband SV Damenkraft, die Musikerin Gustav sowie ein Mitglied der Sissy Boyz aus Bremen haben unter der behutsamen Regie von Tanja Witzmann einen feministisch-humorvollen Zugang zu dem Klassiker gefunden.
Kraftvoll und mit einem befreienden Augenzwinkern erzählen die Künstlerinnen die Geschichte des adeligen Orlando, der sich nach langem Schlaf als Frau wiederfindet, und nun die Welt auch mit den Augen einer solchen sieht.
Die zahlreichen popkulturellen Zitationen machen das Projekt zu einem theoretisch verdichteten Erlebnis. Musik und Travestie spielen eine entscheidende Rolle: Sowohl barocke Klänge wie auch Musicalelemente oder Hip-Hop untermalen die acht Bilder, in die der moderne Klassiker gegossen wurde.
Die Demaskierung und Ironisierung von Geschlechterrollen ist hochpolitisch, aber trotzdem lustvoll. Selten erlebt man "queer theory" so pointiert und professionell inszeniert. "Orlanding the dominant" vereint gekonnt künstlerischen Anspruch mit brisanter Gesellschaftskritik.
Montag, 14. Jänner 2008
Wiener Zeitung - 1040 Wien

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„Trip away to genderfuck“
Von Lea Susemichel
Musik, Tanz, Show, Theater, Striptease: Virginia Woolfs „Orlando“ als queere Burlesque.

Orlandos viel gepriesene Beine strecken sich goldglänzend dem Publikum entgegen. Er schläft. Das Glänzen seiner Hosen wird von den glitterbedeckten Gesichtern der Näherinnen zitiert, die im Halbdunkel hinter ihm sitzen. Sie singen: „Ich bin fertig mit den Menschen“. Virginia Woolf lässt Orlando diesen Satz sagen und ihn fortan verstärkt die Nähe zu Hunden und seinem Eichbaum suchen, nachdem seine literarischen Versuche schmählich gescheitert waren. Und erstaunlicherweise ist es neben seinem herausragenden Platz im Kanon der Gender-Literatur auch diese Hinwendung zur Natur, die Woolfs Roman „Orlando“ für die „queer-burlesque“ Dramatisierung „Orlanding the Dominant“ so interessant machte. „Take me as I am“ ruft das Kollektiv aus SV Damenkraft, Gustav und Tomka Weiss von den Sissy Boyz in einer anderen Szene „Nature, Nature“ direkt an. Dieses Anrufen, „ja vielmehr Anbrüllen der Natur“ ist bei Woolf aber kein Rekurs auf Biologie, sondern durchaus im queer-feministischen Sinne eine Forderung nach Akzeptanz, meint Katrina Daschner.

Um die Akzeptanz aller Körper, die Akzeptanz von geschlechtlicher Uneindeutigkeit und wechselnden Geschlechts- identitäten zu fordern, eignet sich der große Roman vom Mann, der eine Frau wurde, aber auch insgesamt natürlich gut. Und es lässt sich daraus zudem eine Performance machen, die sich außer mit dem Gender-Thema auch mit dem Reisen durch die Zeit beschäftigt. Was für Sabine Marte eine weitere Motivation war, sich des feministischen Klassikers anzunehmen.

Die Zeitreise ist vor allem eine musikalische, wobei die Musik, „die in der jeweiligen Epoche gerade en vogue war, nicht einfach historisierend eingesetzt wurde“, sagt die, besser als „Gustav“ bekannte, Musikerin Eva Jantschitsch. Es ging vielmehr darum, „eine Stimmung einzufangen und daraus im Kollektiv zeitgemäße Interpretationen zu entwickeln.“ Im Format der gewählten Burlesque lässt sich diese Musik dann mit anderen Genres wie Tanz und Theater verbinden. Und da zu einer Burlesque traditionsgemäß auch ein Striptease gehört, erlaubt sie auch eine dem Sujet gemäße, ironisch-offensive Zurschaustellung von Körpern. Von Körpern, die aus Kostümen von „fabrics interseason“ geschält werden, was beispielsweise bedeutet, einen Berg Luftballons vorm in schwarze Spitze gehüllten Bauch zum Platzen bringen zu müssen.

Mit dem gelungenen Stilmix der Outfits korrespondiert auch die Mischung der unterschiedlichen künstlerischen Einflüsse. Showelemente der Sissy Boyz zeigen sich unübersehbar in einer Tanzeinlage mit Tüllröckchen. Manche Lieder klingen ganz deutlich nach Gustav. Und sie klingen schön. Aber vor etwaigem Pathos bewahrt stets der brachial-ironische Einsatz musikalischer Kalauer durch SV Damenkraft.

Die Performance vollzieht eine Erweiterung der Romanvorlage im „queer-burlesquen Sinne“, so Gini Müller. Ihr Rahmen wird deshalb nicht zuletzt auch zeitlich gesprengt. Beendet Orlando seine Jahrhundertreise bei Woolf mit Erscheinen des Romans 1928, endet sie bei „Orlanding the Dominant“ immer erst mit dem Aufführungszeitpunkt.

Weshalb Orlando hier auch die feministischen Heroinnen des 20. Jahrhunderts auf die Bühne bittet: Von Künstlerinnen wie Export mit Körperkino und Abramovic mit Trennungsperformance auf der chinesischen Mauer bis zur kotzenden Krystufek und den Guerilla Girls. Valerie Solanas und Lieselotte Pulver. Beatriz Preciado, Judith Butler und den Mann mit den Brüsten. Judith Jack Halberstam und Annie Sprinkle.

Und am Schluss wacht Orlando mit ihnen allen gemeinsam auf. Sie singen, und alles ist gut: „Thousand years of troubled gender, now we’re here to live it all.“

Dieser Artikel erschien in: an.schläge, das feministische Magazin, (31.01.2008)
www.anschlaege.at